Was bedeutet der Brexit für den IT-Arbeitsmarkt?
Thomas Biber, Geschäftsführer von Biber & Associates, sieht Chancen für deutsche Unternehmen
Köln, 07.07.2016 – „Der Braindrain ändert die Richtung“, so kommentiert Thomas Biber, Geschäftsführer der Kölner IT-Personalberatung Biber & Associates, die Auswirkungen des Brexit auf den IT-Arbeitsmarkt. Während Deutschland schon immer für ost- und südeuropäische IT-Experten ein attraktiver Arbeitsmarkt gewesen sei, hätten sich Briten in der Vergangenheit kaum jemals aus Karrieregründen für einen Wechsel nach Deutschland entschieden. Das könnte sich nun ändern und deutschen Unternehmen helfen, IT-Profis zu finden.
„Alles deutet darauf hin, dass der Brexit Großbritannien wirtschaftlich härter treffen wird, als den Rest der Europäischen Union und die ersten Effekte sind schon jetzt spürbar“, so Biber. Durch den niedrigen Kurs des britischen Pfunds seien die bisherigen Lohnvorteile im Vereinigten Königreich dahin, beim Buhlen um europäische Hauptsitze internationaler Unternehmen käme Großbritannien gegenüber Deutschland und Irland ins Hintertreffen. Höhere Abgaben auf der Insel, wie sie Finanzminister Osborne sie ja schon angekündigt hat, könnten mittelfristig für weitere Reallohn-Einbußen führen.
Brexit und IT
„Wir rechnen damit, dass aufgrund des wirtschaftlichen Klimas in den nächsten Jahren viele deutsche und europäische Auswanderer Großbritannien wieder den Rücken kehren werden. Eine ähnliche Entwicklung sehen wir schon seit einer Zeit bei Auswanderern, die die Schweiz wieder verlassen, seit das politische Klima dort rauer geworden ist.“ Auch britische IT-Experten werden möglicherweise versuchen, sich umzuorientieren, solange sie fest auf die europäische Freizügigkeit rechnen können. Für sie sei die sprachliche Hürde in Deutschland nicht hoch, da Englisch für viele Jobs ausreicht und Deutsch für Englisch-Muttersprachler relativ leicht zu lernen ist.
Im SAP-Arbeitsmarkt, in dem Biber schwerpunktmäßig Mitarbeiter vermittelt, sei die sprachliche Hürde etwas höher: „SAP-Berater müssen mit unzähligen Parteien im Unternehmen sprechen und verhandeln, um Prozesse korrekt und sinnvoll aufzusetzen.“ Aber auch hier seien viele Unternehmen mittlerweile bereit, eine sprachliche Lernkurve oder einen englischsprachigen Ansprechpartner in Kauf zu nehmen: „Briten werden in Zukunft genauso wie Polen, Rumänen, Spanier, Inder und viele andere Nationalitäten zur Digitalisierung unserer Wirtschaft einen großen Beitrag leisten.“
Anlass zur Sorge für IT-Spezialisten in Deutschland sieht man beim Kölner Personalspezialisten dennoch nicht. Biber: „Eher können sich IT-Profis darauf freuen, Überstunden abzubauen“. Es werde auch den Spaß an der Arbeit erhöhen, wenn Projekte runder laufen, „einfach weil sie mit den richtigen Experten in ausreichender Zahl ausgestattet sind.“ Im deutschen IT-Arbeitsmarkt stehe strukturell eine riesige Nachfrage einem zu geringen Angebot gegenüber. Die Expertise und Kompetenz, die durch den Brexit nach Deutschland schwappen könnte, werde der Arbeitsmarkt bequem aufsaugen. „Kein größeres Unternehmen hierzulande hätte den Brexit gewollt und der Schock sitzt noch tief. Aber aus der Perspektive der IT-Abteilungen, die händeringend IT-Profis suchen, kann man nur sagen: Herzlich willkommen, liebe Briten.“